Teachers Talk
Andrea Schaffar
Mag.a Dr.in Andrea Schaffar ist Sozialwissenschaftlerin sowie als selbstständige Organisationsberaterin, Trainerin und Coach tätig. Ihre Schwerpunkte umfassen unter anderem Digitale Didaktik, Digitale Teamentwicklung und Führung sowie Soziale Dynamiken in Onlinesettings. An der WU ist sie Lektorin am Interdisziplinären Institut für verhaltenswissenschaftlich orientiertes Management. In diesem Interview verrät sie, was für sie gute (digitale) Lehre ausmacht und welche Stärken die Präsenzlehre hat. |
Was macht für Sie „gute Lehre“ aus?
Ich halte 5 Faktoren für besonders zentral.
- Als Lehrende*r muss ich mich an meiner Zielgruppe ausrichten. Ich muss herausfinden, wo meine Studierenden stehen (Stichwort: Vorerfahrung) und was der Rahmen ist, beispielsweise welche Kommunikationsstandards an meiner Universität funktionieren.
- Des Weiteren geht es um das Ermöglichen von Interaktion, also darum, Raum zum Denken, Reflektieren und Diskutieren aufzumachen.
- Gute Lehre braucht außerdem die Abwechslung, d. h. dass Lehrinhalte so designed werden, dass nach Inhaltsblöcken auch Kommentare und Beiträge von den Studierenden möglich sind (z. B. über Mentimeter), Beispiele angeführt und themenspezifische Materialien zum „Angreifen“ mitgebracht werden.
- Die Basis guter Lehre ist meines Erachtens jedoch die Beziehung zu den Studierenden und die Ausrichtung darauf, dass sie in meiner Lehre auch wirklich etwas lernen können. Als Lehrende*r begegne ich ihnen auf Augenhöhe und versuche, das größere Ganze im Hintergrund zu erklären und sie dorthin zu begleiten, sodass sie die gebrachten Inhalte auch einordnen können.
- Last but not least braucht es vor allem eigene Begeisterung für die Lehrinhalte.
Was macht für Sie „gute digitale Lehre“ aus? Wovon lebt diese und was gibt es zu beachten, z. B. in Bezug auf die Sozialdynamik, wenn ich im digitalen Raum lehre?
Um eine Beziehung zu den Studierenden aufzubauen, spreche ich Beobachtetes an und stelle Rückfragen – zum Beispiel bei einem Stirnrunzeln, einem fragenden oder müden Blick. Im Onlinesetting habe ich quasi immer eine „digitale Andrea“ im Hintergrund sitzen, die aus dem „Off“ kommentiert und Selbstverständlichkeiten ausformuliert und meine Handlungen erklärt. Diskussionen, und damit auch soziale Dynamiken, sind im digitalen Setting viel strukturierter und funktionieren nur mit Moderation. Als Lehrende muss ich deshalb bewusst Räume schaffen, in denen (ungeordnete) Interaktion passieren kann. Dafür bieten sich Breakoutsessions in unterschiedlicher Länge und wechselnden Gruppenkonstellationen besonders gut an. Was ich auch gerne mache, sind kurze „Check-in“ und „Check-outs“ mit nicht mehr als zwei Fragen („Wie geht’s mir/woher komme ich gerade; Was geht mir gerade durch den Kopf“…) oder Abfragen mittels Whiteboard mit unterschiedlichen Symbolen, um zu sehen, wo die Gruppe heute steht.
Wo sehen Sie die Stärken der Präsenzlehre und wie könnte aus Ihrer Sicht nun ein „Neubeginn der Präsenzlehre“ aussehen?
Die Präsenzlehre bringt eine einfachere Kommunikation mit sich und ein Gruppenzusammengehörigkeitsgefühl lässt sich deutlich leichter erzeugen. Auch das Halten von Aufmerksamkeit gelingt einfacher. Der „Neubeginn der Präsenzlehre“ wird interessante Mischformen von Online- und Präsenzsessions mit sich bringen. Ich denke da beispielsweise an diverse One-on-One Settings wie Online-Sprechstunden, Masterarbeitsbetreuung oder Prüfungsgespräche. Aber auch Planspiele und bestimmte Kleingruppenarbeiten können online einen besonderen Reiz haben und Vorteile bieten, wie zum Beispiel andere Dokumentationsmöglichkeiten und Zugänglichkeiten. Außerdem könnte es Anlass geben, große Vorlesungen in Moocs zu überführen oder im Flipped Classroom Format anzubieten.
Was würden Sie Kolleg*innen raten, die gerade erst mit ihrer Lehrtätigkeit beginnen?
Mein Tipp wäre, nicht gleich zu Beginn zu viel zu wollen, d. h. sich nicht zu viel Inhalt oder zu viele unterschiedliche Tools vorzunehmen. Viel wichtiger erscheint mir ein klarer, transparenter und für die Studierenden nachvollziehbarer roter Faden. Relevant ist, was bei den Studierenden ankommen soll. Dafür braucht es eine Vision fürs ganze Semester. Außerdem hilft vermutlich das Bewusstsein, dass die Freiheit der Lehre tatsächlich besteht – wenn es beispielsweise mehr Diskussionsbedarf bei einem Thema gibt, darf ein anderes vernachlässigt werden. Und ganz wichtig: Sich nicht aus der Ruhe bringen lassen.