Teachers Talk
Thomas Lindner
In dieser Ausgabe berichtet Thomas Lindner, Assistenzprofessor am Institute for International Business, über seine Lehrerfahrungen mit Peer-Feedback in Lehrveranstaltungen, welches er bereits erfolgreich eingesetzt hat. 2020 erhielt er den Preis für Innovative Lehre. In diesem Interview verrät er, was für ihn gute Lehre bedeutet und was er gerne einmal in der Lehre ausprobieren möchte. |
Was bedeutet gute Lehre für Sie?
Gute Lehre bedeutet für mich drei Dinge: 1.) Gute Lehre (an einer Universität) sollte forschungsgetrieben sein. Deshalb versuche ich zumindest ein Forschungspapier in jede Einheit einzubauen. Viele Studierende empfinden die Diskussion von Forschungspapieren nicht als attraktiv – bis man beginnt, das Paper mit aktuellen Themen und Fragestellungen zu verbinden. 2.) Gute Lehre sollte Kritik fördern. Deshalb fordere ich Studierende auf, Fehler, Unklarheiten, und Widersprüche in den behandelten Materialien zu finden – und werte Fragen und Anmerkungen in diese Richtungen als besonders engagierte Mitarbeit. Gerade bei neuen Vorlesungen hilft mir diese Kritik sehr, meine Materialien weiterzuentwickeln, und sie besser an die Interessen der Studierenden anzupassen. 3.) Gute Lehre soll theoriegetriebene Inhalte vermitteln, die Studierende im Berufsleben auch direkt verwenden können. Ganz nach dem Motto „Es gibt nichts Praktischeres als eine gute Theorie“ (Kurt Lewin). Im Endeffekt sehe ich den größten Mehrwert der universitären Lehre darin, Werkzeuge zu vermitteln, die allgemein genug sind, um in vielen Kontexten zu funktionieren, aber trotzdem spezifische Antworten geben.
In Ihren Lehrveranstaltungen setzen Sie Peer-Feedback als Methode ein, das auch in die Beurteilung einfließt. Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Gerade in den Sozialwissenschaften ist es wichtig zu verstehen, dass Antworten auf komplexe Fragen meist nur aus gewissen theoretischen Perspektiven funktionieren. Deshalb ist es in meinen Augen entscheidend, dass Studierende lernen, das Paradigma zu wechseln und Probleme aus mehreren Perspektiven zu beleuchten. Ich verwende Peer-Feedback (unter anderem) als Mittel, um Studierende anzuregen, einen Lösungsvorschlag aus mehreren Perspektiven zu betrachten. Das Formulieren von Peer-Feedback sowie das Reagieren auf Peer-Feedback sind auch wichtige Soft Skills, die in meinen Augen noch zu wenig aktiv unterrichtet werden. Da möchte ich auch noch viel besser werden. Das Formulieren von Kritik ist auch für die Qualität des wissenschaftlichen Prozesses wichtig, weil dort Peer-Feedback ein Kernmechanismus der Qualitätssicherung ist.
Haben Sie Tipps für Kolleg*innen, die Peer-Feedback in der Lehre verwenden möchten?
In meinen Augen ist der entscheidende Punkt, einen Anreiz für sinnvolle inhaltliche Kritik zu schaffen. Das funktioniert im weitesten Sinn nicht ohne eine Bewertung des Feedbacks. Das muss nicht bedeuten, dass die Qualität des Feedbacks direkt in eine Note einfließt, ist aber sicher der direkteste Weg. Außerdem ist es wichtig, dass das Peer-Feedback auch für die Weiterentwicklung von Studierendenprojekten verwendet wird. Um das sicherzustellen, empfiehlt es sich, die (im positiven Sinn des Wortes) von Peers kritisierten Punkte in die Diskussion des finalen Projekts einzubauen.
Was würden Sie (in der Lehre) gerne einmal ausprobieren?
Ich würde gerne ein Simulationsspiel zu einem Internationalisierungsthema in eine Lehrveranstaltung einbauen, bei dem die Entscheidungsfindung nach getaner Arbeit im Kurs diskutiert werden kann. Je lebensnäher eine zu untersuchende Situation ist, desto besser kann man meiner Meinung nach die Entscheidungsfindung beleuchten. Weil eine Simulation beliebig wiederholt werden kann, kann man die Ergebnisse einer nach Feedback überarbeiteten Strategie mit den ursprünglichen Ergebnissen vergleichen. Die Simulation müsste komplexer sein als die Markteintrittssimulationen, die momentan den Markt beherrschen. Gleichzeitig würde die Vorbereitung von strukturiertem Feedback auf die eigenen Entscheidungen ein genaues Verständnis der Simulation nötig machen, was wiederum viel Vorbereitungsarbeit seitens der LV-Leiter*in erfordern würde.